#1Tag1Text zu: Peder Severin Krøyer ‚Sommerabend am Skagener Südstrand‘, 1893

Ein früher Sommerabend. Die Sonne taucht die Landschaft, Dünen, Strand und Meer, in ein sanftes Licht, das alle Härte, alle Grenzen zwischen Himmel und Erde, zwischen Wasser und Land, aufzulösen scheint. Keine Luft schein sich zu rühren, nur leise Wellen spülen vorhersehbar und vorsichtig heran. Man kann nah am Wasser laufen, an diesem Abend, soweit es geht, für die letzten Sonnenstrahlen, für den letzten Blick für heute, über das Meer, über die Dünen, den endlosen Strand entlang.

Anna Ancher, Marie Krøyer und ihr Mann Peder Severin Krøyer sind wie so häufig, so auch an diesem Abend noch einmal aus der Stadt heraus, vorbei am Hafen und zum Meer herunter gelaufen. Ein langer Abendspaziergang führt die Drei in die Stille der Natur, die sich in Weite zu messen lassen scheint. Die Freundinnen sind ins Gespräch vertieft, Marie Krøyer hat ihren Sommerhut abgenommen und scheint Anna Ancher aufmerksam zuzuhören, während sich Peder Severin Krøyer ein wenig hat zurückfallen lassen, um die beiden zu beobachten, oder vielleicht auch, weil es nicht für ihn bestimmt ist, was dort besprochen wird. Der Maler jedenfalls nutzt die Chance und hält diese Szene voller Leichtigkeit und Anmut in Erinnerung, für dieses wundervolle, stille, ja beruhigende Gemälde. Er ist das unangefochtene Zentrum der Skagen-Maler, einer Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, die seit Beginn der 1880er Jahre mit internationalem Ruf in Skagen und in dieser dänischen Küstenlandschaft arbeiteten. Auch Anna und Marie gehören, als einzige Frauen, zu dieser Gruppe. 

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Peder Severin Krøyer ‚Sommerabend am Skagener Südstrand‘ 1893

An diesem frühen Sommerabend 1893 blicken sie alle jedoch schon zurück. Die erfolgreichsten Jahre dieser Künstlergemeinschaft sind vorüber, und auch wenn ihnen auch jetzt noch einige Aufmerksamkeit gewiss ist: ihr Blick auf die Welt, ihre Suche nach einer realistischen Darstellung von Leben und Umständen, von Natur und Mensch, gerät mit dem aufkommenden Symbolismus, der seelische Tiefen, Untiefen und Hintergündigkeiten eher denn sichtbare Landschaft und Arbeit zum Motiv nimmt, ins Hintertreffen. Anna Ancher, Marie und Peder Severin Krøyer werden die Klarheit ihres Blickes noch eine Weile genießen, bevor sie nach Hause gehen, in das kleine Städtchen Skagen mit seinem Fischereihafen, den verwinkelten Gassen und den kleinen Häuschen, ockerfarben verputzt und mit roten Ziegeln gedeckt. 

Was immer die Zeit für Moden an die Küste spülen wird, ihnen bleibt die Gewissheit, dass dieser Blick, dieser endlose Strand, der Himmel, das Meer und die Dünen, sie überstehen wird.